Donnerstag, 30. Oktober 2025 – internet24 Boulevard –

 

In einer Welt, die sich ständig weiterdreht, in der Fortschritt oft mit Überfluss verwechselt wird, lohnt es sich, innezuhalten und zu fragen: Wovon haben wir eigentlich schon genug? Nicht alles, was wächst, gedeiht. Manche Entwicklungen sind wie Unkraut – sie breiten sich aus, verdrängen das Wesentliche und rauben uns die Luft zum Atmen. Hier sind fünf Ereignisse oder Ist-Zustände, von denen wir definitiv genug haben.

1. 📱 Dauerhafte Erreichbarkeit und digitale Dauerbeschallung

Wir leben in einer Ära der permanenten Verbindung. Smartphones, Smartwatches, Smart Homes – alles ist „on“, alles ist „connected“. Die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit ist längst verwischt. Slack-Nachrichten um 22 Uhr, E-Mails beim Frühstück, Push-Benachrichtigungen beim Einschlafen. Die digitale Welt kennt keine Pausen – und wir haben verlernt, sie einzufordern.

Was früher als Luxus galt – ein Wochenende offline, ein Spaziergang ohne Handy – ist heute fast schon revolutionär. Wir haben genug von der Illusion, dass ständige Erreichbarkeit gleichbedeutend mit Produktivität ist. In Wahrheit ist sie oft ein Symptom von Kontrollverlust und innerer Unruhe.

Was wir brauchen: Digitale Hygiene. Zeiten der Stille. Räume ohne WLAN. Und das Bewusstsein, dass Nicht-Erreichbarkeit kein Mangel, sondern ein Geschenk ist.

2. 📰 Empörungskultur und Clickbait-Journalismus

„Skandal!“, „Schockierend!“, „So haben Sie ihn noch nie gesehen!“ – die Schlagzeilen schreien uns an, als wären wir taub. Medien leben von Aufmerksamkeit, und Aufmerksamkeit lebt von Emotion. Je empörter wir sind, desto länger bleiben wir dran. Das Problem: Empörung ist wie Zucker – sie gibt einen schnellen Kick, macht aber langfristig krank.

Die Empörungskultur hat unsere Diskussionskultur vergiftet. Differenzierung wird zur Schwäche, Nuancen gelten als langweilig. Statt Argumenten zählen Likes, statt Dialogen dominieren Shitstorms. Wir haben genug von der ständigen Aufgeregtheit, von der künstlichen Zuspitzung, von der medialen Reizüberflutung.

Was wir brauchen: Journalismus mit Haltung statt Hysterie. Debatten mit Tiefgang statt Twitter-Schlachten. Und die Fähigkeit, auch mal zu sagen: „Ich weiß es nicht.“

3. 🌍 Greenwashing und symbolische Klimapolitik

Kaum ein Unternehmen, das sich nicht „nachhaltig“ nennt. Kaum ein Politiker, der nicht „Klimaschutz“ verspricht. Und doch steigen die Emissionen, schmelzen die Gletscher, brennen die Wälder. Wir haben genug von Lippenbekenntnissen, von grünen Logos auf Plastikverpackungen, von PR-Kampagnen, die mehr CO₂ kosten als sie einsparen.

Symbolpolitik ist bequem. Sie beruhigt das Gewissen, ohne etwas zu verändern. Ein paar Elektroautos, ein paar Solarpanels – und schon fühlt sich alles gut an. Doch echte Transformation braucht Mut, Verzicht und Ehrlichkeit. Und die ist selten kompatibel mit Wahlkampf oder Quartalszahlen.

Was wir brauchen: Radikale Ehrlichkeit. Politische Maßnahmen, die weh tun – weil sie wirken. Und Unternehmen, die nicht nur nachhaltig werben, sondern nachhaltig handeln.

 

4. 💼 Bullshit-Jobs und sinnentleerte Bürokratie

David Graeber nannte sie „Bullshit Jobs“ – Tätigkeiten, die niemand braucht, aber trotzdem existieren. PowerPoint-Schlachten, Excel-Orgien, Meetings über Meetings. Ganze Berufsgruppen drehen sich im Kreis, verwalten sich selbst oder produzieren Papierberge, die nie gelesen werden.

Wir haben genug von Arbeit, die nur so tut, als wäre sie wichtig. Von Formularen, die niemand versteht. Von Prozessen, die mehr Energie kosten als sie erzeugen. Bürokratie ist wichtig – aber sie darf nicht zum Selbstzweck werden.

Was wir brauchen: Arbeit mit Sinn. Systeme, die dem Menschen dienen – nicht umgekehrt. Und den Mut, auch mal zu sagen: „Das lassen wir einfach weg.“

5. 🤳 Selbstinszenierung und narzisstische Selbstdarstellung

„Schau mich an!“ – das ist der Subtext vieler Posts, Reels und Stories. Wir leben in einer Ästhetik der Aufmerksamkeit. Jeder Moment wird inszeniert, jeder Gedanke gefiltert, jeder Körper optimiert. Authentizität wird zur Pose, das echte Leben zur Kulisse.

Wir haben genug von der Jagd nach Likes, von der Sucht nach Sichtbarkeit, von der Illusion, dass wir nur existieren, wenn wir gesehen werden. Die sozialen Medien haben uns zu Marken gemacht – aber manchmal wäre es schöner, einfach Mensch zu sein.

Was wir brauchen: Mut zur Unperfektion. Räume für echte Begegnung. Und die Erkenntnis, dass das Leben auch dann wertvoll ist, wenn es niemand liked.

Fazit: Weniger ist mehr

Diese fünf Punkte sind keine Anklage, sondern eine Einladung. Eine Einladung zur Reflexion, zur Entschleunigung, zur Rückbesinnung. Genug ist genug – und das ist gut so. Denn in der Begrenzung liegt oft die größte Freiheit. Vielleicht ist es Zeit, nicht noch mehr zu wollen, sondern besser zu wählen. Nicht lauter zu schreien, sondern leiser zu hören. Nicht alles zu haben – sondern das Richtige.

 

 

 

 

 

 

 

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